Die dezentralisierte Gesamtschule (1)


Eine Organisationserneuerung zur Pädagogisierung des Schulalltags


Geprägt von der Idee der Chancengleichheit für alle soziale Schichten, schuf man zu Beginn der siebziger Jahre Schulkomplexe, die durch eine möglichst vielfältige äußere Differenzierung ein Optimum an Bildungschancen ermöglichen sollten. Das Kommunikations- und Interaktionsfeld der im Schulbetrieb Lebenden wurde jedoch bei dieser kybernetisch ausgerichteten Schulorganisation zunehmend anonymer und unpersönlicher. Fasziniert von der Idee der kompensatorischen Erziehung, der optimalen schichtunabhängigen Nutzung bzw. Förderung geistigen Potentials, wurde zu jener Zeit der psychosozialen Signifikanz als Fundus motivierten Miteinander-Lernens und Umgehens zu wenig Beachtung geschenkt.
In solch einem Mammutbetrieb Schule, in dem die Schülerinnen und Schüler ohne räumliche und personelle Kontinuität aufwachsen, entwickeln sich keine stabilen Beziehungen und damit auch keine - für den Lernprozess so notwendige Verant-wortlichkeit. Leistungsverweigerung, Demotivation, versteckte und offene Aggression sowie Vandalismus werden durch eine Schulorganisation dieser Form nicht abgefedert, sondern verstärkt. Verhaltensauffälligkeiten in der Schule können als Seismograph sozialer Vernachlässigung gewertet werden.
Dies gilt im besonderen Maße für eine Zeit, in der die soziale Verantwortlichkeit in viel stärkerem Maße auf den Schultern der Schule lastet. Die heutige Familie mit ihrer retardierten Einflussmöglichkeit der Kulturnormierung bedarf der erzieherischen Komplementierung der Schule.
Das heutige Arbeitsfeld Schule kann daher nicht ausschließlich mit reinen Input-Output Überlegungen zur Wissensvermittlung erfasst werden, sondern bedarf der Erweiterung struktureller Aspekte sozialkommunikativer und psychosozialer Provenienz.
Eins wird hierbei deutlich: Zum Lehrerberuf gehört heutzutage mehr denn je die Pädagogik respektive das über den Fachunterricht hinausgehende Sozialengagement der unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen, um postfamiliäre Sozial- und Interaktionsprozesse im Klassenverband zu kanalisieren.
Hier aber steht das klassische Schulsystem den o.g. Ansprüchen nach gesamtver-antwortlichem Handeln bislang diametral entgegen.
Denn beim Kollegium fördert die bislang gängige Organisationsstruktur mit dem Primat des Fachlehrereinsatzes die fachbezogene Verantwortlichkeit, nicht aber ein Engagement für das soziale Klima innerhalb der Klassen und innerhalb des Kollegiums.
Konflikte innerhalb des Klassenraums sind, bezogen auf den Fachunterricht, störende Determinanten, die es zu ignorieren bzw. kaschieren gilt, will man nicht sein curricular gestecktes Leistungsziel verfehlen und - was noch schlimmer ist - seine scheinbar pädagogische Inkompetenz offenbaren. Gibt es Unstimmigkeiten unter den Kolleginnen und Kollegen bzw. Differenzen bei pädagogischen Grundsatzfra-gen, so werden diese in der Regel nicht mehr im Gesamtkollegium ausgetragen, sondern finden allenfalls wohlwollende Bestätigung in gleichgesinnten Fraktionen. Dort werden Vorfälle analysiert und evaluiert, in der Regel mit dem Gefühl selbst im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein. Die Anonymität des hierarchischen Großbe-triebes leistet den oben beschriebenen Verhaltensweisen weiteren Vorschub. Die Pflicht zur kritischen Selbstanalyse und kollektiven Beratung ist nicht gegeben. Der Ausbildung respektive Formung einer fachspezifischen Charaktermaske setzt die-ser Schulbetrieb nichts entgegen. Verantwortlich für soziale Missstände sind stets die anderen oder aber die Schulleitung, die einzelnen Kolleginnen und Kollegen, deren primäre Aufgabe es zu sein scheint, den gesamtorganisatorischen Ablauf zu regeln und die Bedingungen für eine harmonische Unterrichtssituation bzw. -rahmung zu schaffen.
Hinter der zumeist geschlossenen Klassentür stehen Lehrerinnen und Lehrer in aller Regel allein vor der Klasse. In den Köpfen existiert kein vollausgebildetes Or-ganisationsbewusstsein, sondern weitgehend die Perspektive "Ich und meine Klasse," anstelle der Sichtweise "Wir und unsere Schule (..)." (2)
Es gilt fachspezifisch zu überleben und nicht mehr.
Produkt des Organisationssystems ist die fachbezogene Innerlichkeit, die innere Emigration des Kollegiums, die in einem Betrieb mit in der Regel bis zu 100 Kolle-ginnen und Kollegen und den klassischen Mitbestimmungsformen (Lehrerkonferenz, Schulkonferenz) keine Gesamtverantwortlichkeit und kein Wir-Gefühl entwickeln können.
Soll Schule aber mehr als eine subaltern präzis definierte, reine personengebundene Wissensvermittlungsinstanz sein, so hat die für Gruppenprozesse bedeutsame psychosozial-pädagogischen Komponente neben die individualisierte fachbe-stimmte Katalysatorwirkung eines jeden Lehrers zu treten.
Das Arbeitsfeld der Kolleginnen und Kollegen ist neu zu definieren und lässt sich - sofern es gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden soll - nicht allein durch die Setzung eines fachspezifischen Stundendeputats beschreiben.
Die Schule der Zukunft muss primär dezentralisiert und damit enthierarchisiert und demokratisiert werden.
Das Unterfangen, neu zu gründende Gesamtschulen nicht mehr 12-zügig und mehr zu konstituieren, sondern auf eine Sechszügigkeit zu beschränken, erweist sich zunächst einmal als ein Weg in die richtige Richtung, nämlich der Anonymität des Großbetriebes zu begegnen. Damit ist jedoch noch keine strukturell- durchgreifen-de, sondern lediglich eine quantitative Veränderung eingetreten. Will man über die-se Fassadenkosmetik hinaus eine qualitative Veränderung der Schulstruktur errei-chen, bedarf es der Initiierung weiterer, grundlegender Umstrukturierungen, die am folgenden Leitziel zu messen sind:
Die Modifikation der Schulorganisation soll eine demokratische Mit- und Zusam-menarbeit ermöglichen, die aufgrund ihrer sozial- emotionalen Verständigung ein größeres Maß an pädagogischer Orientierung und sozialverantwortlichen Engagements schafft.
Hierbei wird deutlich, dass es nicht um Teilbereiche der Veränderung gehen kann.
Die Vorteile einer Dezentralisierung und Demokratisierung kommen nur dann zum Tragen, wenn die Veränderungsprozesse sowohl die Schulleitung, das Lehrerkollegium wie auch die Schülerschaft vollends erfassen.
Bislang allerdings, so konstatiert Klaus Hoos, sind "unsere Schulen (..) unverändert auf das hierarchisch abgestufte, vorgesetztenorientierten Führungssystem hin ausgerichtet. Selbst wenn sich dieses Prinzip in den subtilsten Schattierungen etabliert hat und sich mitunter sogar kollegialen Formen nähert, so kann es seinen im Grun-de autoritären Charakter niemals völlig leugnen." (3)
Weiterhin formuliert er skeptisch: "Glaubwürdige Entwicklungen, die von der direk-torialen Schulleitung wegführen, sind selten und haben stets Ausnahmecharakter. " (4)
Dem von Klaus Hoos formulierten Statement ist im Prinzip beizupflichten. Gleichwohl haben viele im Aufbau befindliche Schulen dokumentiert, dass auch andere Formen der Schulstruktur möglich sind, die die scheinbare Utopie zwischenzeitlich zur konkreten Utopie werden ließen.
Man betrachte einmal eine Schule im Aufbau genauer. Befragt man das Kollegium nach seiner Arbeitsweise, so wird man mit Erstaunen feststellen können, dass der oben formulierte Anspruch an eine Schule in spe zumeist gängige Praxis ist. Hierarchie im klassischen Sinne gibt es nicht. Schulleitung und Kollegium zeigen Verantwortung und lernen in der Regel wechselseitig. Unterricht wird nicht nur als Unterricht betrachtet, sondern vielmehr als ein Teil der pädagogischen Gesamtarbeit. Diese Schule hat familiären Charakter.
Vielleicht kann sich sogar der eine oder andere selbst daran erinnern, wie am Anfang im Kreise von 12 Kolleginnen und Kollegen pädagogische Zielvorstellungen gemeinsam besprochen und Absprachen geregelt bzw. überprüft wurden, wie im Krankheitsfall nach unkonventionellen Vertretungslösungen gesucht wurde, wie man bei vergessenen Aufsichten spontan eingesprungen ist, wie über Belange der Klasse außerunterrichtlich diskutiert und Probleme und Wünsche der Schülerinnen und Schüler ernst genommen wurden, wie Klassenräume als Wohnräume betrach-tet wurden und, und, und ...
Es gilt aus den Erfahrungen dieser Anfangsjahre zu lernen und der Entdemokrati-sierung und der zunehmenden Vermassung eines hierarchischen Großbetriebes strukturell zu begegnen.
Schlussfolgernd bedeutet dies: Schule muss per se, soll sie Impulsgeber für fachliche, organisatorische und soziale Belange bleiben, kleingruppen- bzw. teamorientiert gestaltet sein.
Es gilt eine Teamschule zu schaffen,

  • in der weitreichende Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowohl für Lehrer als auch für die Schüler besteht,
  • die überschaubar und persönlich bleibt und damit soziale Geborgenheit vermittelt und soziale Verpflichtung schafft,
  • die lebensnahe, d.h. schüleradäquate Lernformen zulässt und fördert sowie
  • die Lernmotivation, Lernklima und Lernort als wechselseitig bedingte Korrelate für die fachliche Kompetenzerlangung versteht.

1. Grundlagen der Teambildung

Die Devise lautet: Zurück zu kleinen sozialen Einheiten, die überschaubar sind und Verbindlichkeiten schaffen.

Mit einem überwiegend jahrgangs- bzw. teambezogenen Lehrereinsatz kann das oben beschriebene positive Anfangsstadium einer Schule im Aufbau langfristig auf-rechterhalten werden, sofern folgende Determinanten bei der Planung des Lehrer-einsatzes Beachtung finden:

1.1. Die Anzahl der im Team unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer ist gerade im 5. und 6. Jahrgang möglichst gering zu halten (6 bis 8); denn je kleiner die Lehrergruppe ist, desto höher bleibt die gedankliche Einbettung und Sozialverpflichtung gegenüber Dritten. Hinzu kommt, dass der Kommunikationsweg zwischen den ein-zelnen Personen relativ kurz und überschaubar bleibt.
Diese Vorgabe erfordert jedoch gegebenenfalls die Bereitschaft, fachfremden Unterricht zu erteilen.
Kolleginnen und Kollegen sind in der Regel zu diesem fachfremden Unterricht bereit, sofern das Fachschaftskollegium Hilfestellungen anbietet bzw. curricular ausgearbeitete Unterrichtssequenzen als Handreichung vorliegen.

1.2. Die Lehrerinnen und Lehrer sollten (bezogen auf eine sechszügige Schule) jeweils schwerpunktmäßig in einem Jahrgangsteam (drei Klassen), in Ausnahmefällen in einem Jahrgang (sechs Klassen) unterrichten.
Sie sind mit einem kleinen Kontingent an Unterrichtsstunden - maximal jedoch mit neun - z.B. in der Oberstufe bzw. im WP II - Bereich oder anderen Bereichen, angesiedelt.
Entsprechend bleibt die Verbundenheit eines jeden Kollegen zu seinem Team ge-währleistet. Wird diese Regelung beachtet, sind Teamsitzungen, zu denen alle Mit-glieder erscheinen, leichter zu koordinieren. Zudem bewirkt die Einbettung in eine kleine soziale Einheit mit festen Kommunikationspartnern (Schülerinnen und Schüler; Kolleginnen und Kollegen) eine erhöhte Sozialverpflichtung (Kultivierung fachlicher und sozialer Kompetenz).

1.3. Die im Team eingesetzten Kolleginnen und Kollegen wissen, dass sie im Prinzip über mehrere Jahre in Team bleiben und mit den Klassen mitwachsen. Hintergrund des Gedankens ist es, eine gewisse Vertrautheit innerhalb der Kleingruppe der Kollegen wie auch gegenüber den Schülern der einzelnen Klassen zu schaffen. Zudem sind gruppendynamische Prozesse eher initiierbar, wenn Wissen darüber besteht, dass Konfliktherde nicht ausgesessen werden können, sondern bei einer längeren Verweildauer entschärft werden müssen (Sensibilisierung und Entwicklung kollektiver Konfliktbewältigung).

1.4. Grundsätzlich werden jeder Klasse zwei Klassenlehrer (sofern möglich: weib-lich/männlich) zugeordnet. Durch diesen Doppeleinsatz findet einerseits keine so eindeutige Fixierung auf eine Person statt, verpflichtet andererseits die Kollegen zur stärkeren Zusammenarbeit, schafft darüber hinaus Arbeitserleichterungen bei den täglichen Klassengeschäften wie Verwaltungsarbeit, Klassenratssitzungen, Wo-chenplan- und Freiarbeit, unterrichtsbegleitenden pädagogischen Maßnahmen, Klassenfahrten, Projekt- wie auch der Elternarbeit.

2. Aktionsradius und Aufgabengebiete

Den Teams ist eine weitgehende pädagogische und organisatorische Autonomie zu gewährleisten. Die Abteilungsleitung hat hierbei überwiegend begleitende und kanalisierende Funktion. Grenzen des Handlungsfreiraums sind dort zu setzen, wo pädagogische Grundsatzprinzipien der Schule (Beschlüsse: Schulkonferenz) oder aber teamübergreifende Vorgaben angetastet werden.

2.1 Das Aufgabengebiet der Teams ist facettenreich und orientiert sich an den ori-ginären Bedürfnissen des jeweiligen Teams bzw. des Jahrgangs:

Die Teams

  • beraten und entscheiden über die Regelung der jahrgangsbezogenen Un-terrichtsverteilung (formale Vorgaben erfolgen durch den Organisationsleiter)
  • regeln eigenständig langfristigen Vertretungsunterricht im eigenen Jahrgang
  • besprechen, und koordinieren Projektplanungen
  • verfeinern das pädagogische Profil der Schule
  • regeln Vorfälle und Konflikte des Jahrgangs
  • setzen und initiieren Gespräche für Jahrgangs- und Lehrerkonferenzen

2.2 Teamarbeit schafft - sofern der Unterrichtsalltag gemeinsam geregelt und reflektiert wird - eine psychische Entlastung für den überwiegenden Teil des Kollegiums. Es wäre jedoch fatal zu leugnen, dass Teamarbeit mit ihren gemeinsamen Sitzungen nicht auch zugleich ein Mehr an Arbeit bedeutet. Will man langfristiges Enga-gement erhalten und eine Burn-Out-Generation verhindern, sind folgerichtig Sit-zungstermine so anzusetzen, dass sie nicht noch zusätzlich an einem Abend statt-finden. Da es an jeder neuen Gesamtschule zumindest einen Nachmittag in der Woche gibt, der regelmäßig für Konferenztermine freigeblockt ist, sollte man recht-zeitig Bedarf für Teamsitzungen anmelden.

2.3 Es bietet sich an, jedes Team einen Teamsprecher wählen zu lassen. Erfah-rungsgemäß erleichtert das die Zusammenarbeit zwischen den Teams, aber auch zwischen dem Team und der jeweiligen Abteilungsleitung.
Darüber hinaus werden gemeinsame Teamsprecher-Schulleitungssitzungen (TS- Sitzungen) als teamübergreifende gedankliche Austauschinstanz möglich. Teams entwickeln im Laufe der Zeit eine pädagogische Eigendynamik, die es, will man nicht Schulen in einer Schule schaffen, immer wieder zu koordinieren und mit dem pädagogischen Gesamtverständnis aller Teams und der Schulleitung in Einklang zu bringen gilt. Die bei Bedarf zu einem bestimmten Termin (z.B.: Dienstag, 1. Stunde) stattfindenden Teamsprecher-Schulleitungssitzungen bieten die Möglichkeit, über aktuelle Ereignisse, Vorgehensweisen und Vorgaben zu informieren, über Team- bzw. Schulleitungsvorschläge zu beraten. Darüber hinaus können die Teamsprecher mit ihrem "imperativen" Mandat in Zusammenarbeit mit der Schulleitung die Vorarbeit für anstehende Lehrerkonferenzen leisten. Es geht insbesondere um die Beratung und Vorbereitung von Beschlüssen für organisatorische und pädagogische Belange der Schule. Der Lehrerkonferenz steht es dann anheim, die Anregungen und Empfehlungen der Teamsprecher-Schulleitungs-sitzungen als repräsentativ zu betrachten. Ist dieses Grundvertrauen zwischen diesen beiden In-stanzen da, und dies ist vorhanden, solange Wissen darüber besteht, dass nicht Mehrheitsbeschlüsse, sondern Konsensfindung Grundlage aller TS-Empfehlungen ist, verlaufen Lehrerkonferenzen recht zügig und vermitteln nicht das Gefühl der Ohnmacht; denn die Teamsprecher haben während der einzelnen Beratungspha-sen in den TS-Konferenzen mit ihrem Team rückkoppeln, d.h. entsprechende Opti-onen einbringen und Ängste formulieren können.

Am Ende dieser Entwicklungsphase besteht lediglich Sanktionsbedarf durch die Lehrerkonferenz.

Lehrerkonferenzen, bei denen wenige wirken, einige sich profilieren, zahlreiche Kolleginnen und Kollegen Klassenarbeiten korrigieren und fast alle nicht zuhören, dürften damit nicht gänzlich ausgeschlossen sein, zumindest aber immer unwahr-scheinlicher werden.

Für oben beschriebene Arbeitsformen bedarf es bei einer Schule mit zuvor klassischen Organisationsstrukturen durchaus der Umgewöhnung. Dies gilt für Schulleitung wie für das Kollegium gleichermaßen.

Praktizierte Führungsstile,

  • die nach dem Motto verlaufen "Alles geht über meinen Schreibtisch", nichts bleibt dem Zufall überlassen,
  • die absolute Gefolgstreue verlangen und Bestätigung der eigenen Meinun-gen wünschen,
  • die Risikobereitschaft in Bausch und Bogen verurteilen,
  • pädagogische Spontaneität aufgrund von Ängsten mit administrativen Zwängen abblocken, (5)

werden sicherlich mit dem Arbeitsprinzip der Teamschule konfligieren.

Kollegen, die der Meinung sind, dass die von ihnen abverlangten Aufträge eigentlich Sache der Schulleitung seien, und nicht damit klarkommen, dass aufgrund der Mitverantwortlichkeit bei der Gestaltung des Schulalltags die gewohnte - ach so er-leichternde - Polarisierung, sprich Schuldzuweisung zwischen Lehrerkollegium und Schulleitung entfällt, werden den Umgestaltungsprozess zur Teamschule gleichfalls nicht vereinfachen.
Trotz alledem bleibt die Teamschule die einzig logische Konsequenz, wird doch mit ihr erreicht, dass zum einen eine vertikale Mitbestimmung in beide Richtungen erhalten bleibt, nämlich von unten nach oben wie von oben nach unten, und zum anderen das Eigenengagement durch die dezentralisierte Arbeitsweise in Kleingruppen keine Blockade erfährt.
Der Zufriedenheitspegel des Kollegiums nimmt in dem Maße zu, wie erkennbar wird, dass generelle Mitgestaltung, bewusstes Mitdenken und Phantasieentwick-lung, sei es bei der Stundenplangestaltung, der Regelung des Vertretungsunterrichts, bei Erledigung der Klassengeschäfte, der Projektarbeit wie auch bei päda-gogischen Vorhaben, gewünscht und akzeptiert wird.
Sind die Handlungsspielräume der Teams durch die Schulleitung klar und deutlich definiert, ist die Gefahr einer unkontrollierten und ausufernden Phantasieentwicklung gemindert.
Geschieht dies nicht in Vorfeld, kann bei den Teams nachträglich das Gefühl ent-stehen, man werde zwar zum Nachdenken animiert, aber nicht akzeptiert und ab-geblockt, wenn man weiterführende Gedankengänge als die Schulleitung entwickle. Die Folge sind irreversible Resignationstendenzen, basierend auf dem Eindruck, man habe nicht schulleitungsadäquat gedacht. Den Teams müssen Freiheiten, Grauzonen, und Tabuthemen (letztere müssen eindeutig von Schulleitung gesetzt werden!) bekannt sein. Dabei sollten die Vorgaben durch Schulleitung möglichst geringgehalten werden und lediglich dort ansetzen, wo man aus Verantwortung für den Gesamtbetrieb (z.B.: Aufsichtsführung, adäquate Verteilung des Differenzierungsdeputats) und zur Wahrung der Kontinuität (z. B. Aufrechterhaltung des päda-gogischen Konzepts, Sprachenfolge im WP II- Band) einschränkend entscheiden muss.

 


Das Schaubild "Struktur und Aufgabenfeld einer dezentralisierten Gesamtschule" soll das, was bislang beschrieben worden ist, nämlich das Zusammenwirken zwischen Schulleitung und den einzelnen Teams, noch einmal anschaulich dokumentieren. Dabei wird die "nachrangige" Signifikanz der Lehrerkonferenz deutlich, ohne dass diese in ihren erlassgemäßen Rechten beschnitten wird. Angelpunkt des gedanklichen Austauschs wie auch der inhaltlichen Auseinandersetzung bleiben die zwischen Schulleitung und Teams regelmäßig stattfindenden TS-Sitzungen.

Dem kritischen Betrachter wird aufgefallen sein, dass in diesem Schaubild der Begriff des "Didaktischen Ausschusses" auftaucht, der bislang von mir nicht thematisiert worden ist. Dies hat einen ganz bestimmten Grund.

In der Anfangsphase einer Teamschule werden pädagogische Innovationen und die Entwicklung eines pädagogischen Gesamtkonzepts im starken Maße durch die Teams bzw. Teamsprecherkonferenzen getragen. Wenn es im Laufe der Zeit um die Evaluierung der Konzepte geht, ist festzustellen, dass die Teams zunächst einmal ihre Bedeutung behalten. Erfahrungen werden in den Teams und anschließend auf den TS-Sitzungen ausgewertet und gedankliche Konstrukte und Handlungsanweisungen für ein verbindliches pädagogisches Gesamtkonzept modifiziert.

Befindet sich eine Schule im Aufbau, so fällt es nicht schwer, beispielsweise ver-bindliche Zielsetzungen für die Wochenplanarbeit des fünften bis sechsten Jahrgangs zu formulieren. Man kennt die einzelnen Teamkolleginnen und -kollegen mit ihren Stärken und Schwächen, man kann die Schülerklientel einschätzen und weiß, welche Zielformulierungen realistisch sind.
Mit zunehmender Größe einer dezentralisierten Schule macht man jedoch die Er-fahrung, dass die Vielfalt an Informationen und Eindrücken immer belastender werden. Die Rettung scheint in der Rückbesinnung auf die wirklich eigenen Probleme zu liegen. So bleiben die Teams zwar weiterhin engagiert, ihre thematischen Eingaben aber werden immer stärker von dem Leidensdruck pädagogischer Alltagskontakte im eigenen Jahrgang determiniert. Die Probleme anderer Jahrgänge erscheinen einem selbst zunehmend fremd. Überlegungen zum modifizierten Wochenplancharakter des 9. Jahrgangs sind nicht unbedingt das, was ein Team im 5. Jahrgang bei der Einführung der Wochenplanarbeit hautnah berührt. Aus dem anfänglichen Stadium "Wir und unsere Schule" läuft die Teamschule Gefahr, zu einer Schule "Wir und unser Jahrgang" zu retardieren.

Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, sei gesagt, dass diesem Phäno-men im Prinzip nichts Negatives anhaftet, werden doch die wirklichen Jahrgangsprobleme vor Ort nicht kaschiert, verniedlicht oder unterdrückt, sondern finden im-mer wieder Eingang in den TS-Konferenzen. Die TS-Konferenzen bleiben Austauschbörse schulischer Alltagskonflikte und Seismograph für unterschwellig vorhandene Probleme mit der Schülerschaft, innerhalb des Kollegiums und mit der Schulleitung. Der Glaube aber, man entwickle auf diesen TS-Konferenzen noch eine weiterreichende gesamtpädagogische Matrix muss aufgegeben werden.

Der notwendige Austausch, die Reflexion findet statt, bleibt jedoch praxisnah. Hilfe-stellungen anderer Teams werden angenommen, sofern sie die Prämisse auf sofortige Umsetzbarkeit und Lösung erfüllen.

Ein weiteres Beispiel soll die begrenzte Funktion der TS-Konferenzen innerhalb einer größer werdenden Schule skizzieren.

So kann es durchaus passieren, dass sich beispielsweise die beiden Jahrgangsteams des 9. Jahrgangs für ein fünfwöchiges Berufsvorbereitungsprojekt entscheiden, dass der nachfolgende Jahrgang mit einer ganz anderen Teamkonstellationen dieses erfolgreich durchgeführte Projekt abblockt mit der Begründung, dass dieser Jahrgang diesem Projekt eine nicht gleichwertige Bedeutung beimessen könne, das Curriculum eine Arbeit in dieser Form nicht vorsehe und zudem Unterricht in einem nicht vertretbaren Maße ausfalle.
Eine zu diesem Thema anberaumte TS-Konferenz konnte Bedenken des nach-folgenden 9. Jahrgangs nicht zerstreuen.
Die Auswertung beider o. g. Beispiele (Wochenplanarbeit, Projekt: Berufsvorbereitung) lässt die Schwachstelle einer Teamschule, die einzig und allein auf das Gremium der TS-Konferenz vertraut, offenkundig zu Tage treten:
Bleibt allein Teamwille ausschlaggebend für die Gestaltung des Schulalltags, kommt es zu pädagogischen und curricularen Wechselbädern, die im Sinne alternativer Pädagogik und eines konzeptionell vertretbaren Gesamtprofils unhaltbar sind. Dieses Manko wird umso schwerwiegender, je stärker die Teams den pädagogischen Sumpf ihrer Alltagsgeschäfte in ihrem Jahrgang verhaftet sind.
Folgerichtig ist neben dem TS-Gremium eine weitere Instanz einzurichten, die oben beschriebene Schwachstelle der Teamschule organisatorisch kompensiert, zugleich aber keine Reinkarnation der vorgängigen (subalternen) Schulstruktur bedeutet.

Während die TS-Konferenz die Mikrobereiche des Schulbereichs regelt (vertikale Kommunikationsform), muss diese weitere Instanz (Didaktischer Ausschuss) die Makroebene abdecken und schwerpunktmäßig jahrgangszentriert auf der horizontalen Kommunikationsebene arbeiten.

Für die Schaffung dieses Didaktischen Ausschusses müssen allerdings ähnliche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmodi wie für die Team- bzw. Teamsprecherarbeit gelten, will man dem Gefühl der "Fremdbestimmung von oben" im Vorfeld begegnen.

Der Didaktische Ausschuss sollte daher ein von der Schulkonferenz gewähltes Gremium sein, das folgende Personen umfasst:

  • die Didaktische Leiterin bzw. der Didaktische Leiter als Vorsitzende(r),
  • die einzelnen Jahrgangs- Fachteams (Dies sind Kolleginnen und Kollegen, die jeweils ein Fach des Jahrgangs vertreten),
  • die Schülervertreter des jeweiligen Jahrgangs und
  • die von der Schulpflegschaft gewählten Elternvertreter.

Um eine optimale Vernetzung der Gremienstruktur zu erreichen, sollten die Termine des Didaktischen Ausschusses immer vor der Schulkonferenz liegen. Beschlüsse, die der Didaktische Ausschuss fasst, können dann der Schulkonferenz zur endgültigen Abstimmung vorgelegt werden.
Eine der ersten Aufgaben des Didaktischen Ausschusses sollte die Bestandsaufnahme sein, welch curriculares Profil (Zielsetzungen, fachliche und pädagogische Schwerpunkte) sich vor dem Hintergrund gegebener Richtlinien und der spezifischer Schulgegebenheiten vor Ort (z.B.: Sozialisationshintergründe der Schülerschaft) jeweils im Jahrgang bzw. in den Jahrgängen entwickelt hat.

Es gilt nach Themenschwerpunkten der einzelnen Fächer zu suchen:

a. die aufgrund der Zielsetzungen und im Sinne des Schulprofils curricular verbindlich verankert werden sollten und
b. deren interferierende Themenpaletten eine curriculare Vernetzung als zweckmäßig erscheinen lassen. Anzustreben ist eine fachübergreifende Koordinierung von bislang immer wieder auftauchenden und als notwendig an-erkannten Unterrichtssequenzen und Projektvorhaben.

Als schulinternes Fortbildungsgremium koordiniert der Didaktische Ausschuss die in den Teams bzw. dem Jahrgang entwickelten Unterrichtssequenzen respektive Projekte und sorgt für Austausch und Weiterentwicklung.
Sitzen die verschiedenen Fachschaften erst einmal im Jahrgang zusammen, so lassen sich sehr schnell sinnvolle Vernetzungen der einzelnen Themengebiete erkennen. So eignet sich zum Beispiel für das Thema "Berufsvorbereitung" im 9./10. Jahrgang im besonderen Maße in Gesellschaftslehre die Unterrichtssequenz "So-zialer Wandel", für Wirtschaft bietet sich die Unterrichtssequenz "Mitbestimmung" an, im Deutschunterricht können Bewerbungsschreiben, der Lebenslauf und Vorstellungsgespräche geübt und in Mathematik können spezielle Testsituationen simuliert werden. In Kunstunterricht ist die Thematisierung der Arbeitswelt möglich.

Eins erscheint mir dabei als sehr wichtig:

Die o. g. Themen sind nicht aufgesetzt, sondern greifen auf das zurück, was an Un-terrichtsvorhaben streckenweise schon umgesetzt wurde. Ergibt das Gespräch da-über hinaus thematischen Erweiterungsbedarf, so ist nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen, die diese Ergänzung als nicht aufoktroyiert erscheinen lassen. Das vernetzte Konzept muss auf Grundlage des Diskurses konsensfähig sein. Dies gilt für die einzelnen Fachkollegen, die Schüler wie auch für die Eltern gleichermaßen.
Dabei ist zu klären, inwieweit diese Themenschwerpunkte zeitgleich (projektorientiert) oder aber bezogen auf ein Jahr in den Unterricht einzubetten sind.
Wird über Themenschwerpunkte diskutiert, darf die Reflexion über die Lernzielset-zungen nicht unterbleiben. Sind die Zielsetzungen definiert, fallen Überlegungen des methodischen Vorgehens im Fachunterricht, bei der Wochenplanarbeit, der Freiarbeit unter Mitwirkung der o.g. Instanzen leichter.
Geht man mit den einzelnen Jahrgängen die bislang angebotenen Unterrichtsinhalte entsprechend durch, so fällt auf, dass ähnliche Themen jeweils von verschiedenen Jahrgängen zu verschiedenen Zeiten als besonders bildungsrelevant angesehen werden.

Zusammenfassend sei gesagt:

Eine Schule, die ihr Ziel in der organisatorischen Umgestaltung zur Teamschule sieht, sollte unter dem Aspekt der Konsensfindung schrittweise die einzelnen Strukturen einführen, dabei aber stets berücksichtigen, dass erst mit dem einheitlichen Zusammenwirken von Teams, Teamsprecher-Schulleitungssitzungen und dem Di-daktischen Ausschuss eine alternative Schulform geschaffen ist, die auf Dauer eine organisatorische wie auch pädagogische Alternative gegenüber traditioneller Schulstruktur darstellt.

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Anmerkungen:

1  Erstveröffentlichung in: schul-management (24. Jg.), H. 2/1993 und in: GGG-fesch- Info III/92

2 Schule als soziale Organisation, H.-G. Rolff in schul-management, (Jhrg. 22),

Heft 2/91

3 Direktoriale Schulleitung, Klaus Hoos, schul-management, H. 4/91, S.22

4 ebenda, S .22

5 ebenda, S.23